«Wir diskutieren seit Jahren dasselbe»
Alex Simeon, stellvertretender Rektor der OST, eröffnete die Veranstaltung mit einem kritischen Rückblick: Bereits 2012 habe es technische Lösungen zur Speicherung und Rückverstromung erneuerbarer Energien gegeben. «Ich habe das Gefühl, wir diskutieren seit Jahren dasselbe – und doch passiert wenig», so Simeon. Die Tagung nahm diese Diskrepanz auf und beleuchtete Themen wie Netzinfrastruktur, Speichertechnologien, politische Ziele und industrielle Umsetzung.
Politische Visionen und Realität
Nationalrätin Marionna Schlatter (Grüne), Mitglied der Kommissionen für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK), skizzierte mit den Energieperspektiven 2050+ eine ambitionierte Zukunft: Netto-Null bis 2050, vollständig elektrifizierter Verkehr, massiver Ausbau der Photovoltaik und Windkraft aber dennoch sinkender Gesamtenergieverbrauch. Schlatter kritisierte die politische Zurückhaltung beim Thema Speicherlösungen: «Die Energiewende ist ein Marathon – aber man muss ihn auch Schritt für Schritt gehen.»
Das Stromnetz der Zukunft
Prof. Dr. Lukas Ortmann, Experte für Regelungstechnik an der OST, sprach über die Transformation des Stromnetzes: «Die Zukunft ist dezentral, flexibel und digital vernetzt.» Smarte Technologien sollen Versorgungssicherheit und Anreize für einen optimierten Verbrauch schaffen. Die ab 2030 geplante Strommarktöffnung könnte neue Impulse setzen – vorausgesetzt, die politischen Rahmenbedingungen stimmen.
Energiespeicher: auch wirtschaftlich attraktiv
Speicherlösungen seien laut Prof. Dr. Markus Friedl, Professor für Thermo- und Fluiddynamik, wirtschaftlich attraktiver denn je: «Negative Strompreise nehmen zu – das macht Speicher zur Notwendigkeit.» Die OST forscht an einem vielfältigen Speichermix, darunter auch innovative Ansätze wie die Methanolproduktion aus CO₂ und Kehricht. Friedl betonte, dass es einen diversifizierten Mix aus Speichersystemen für verschiedene Anwendungsfälle brauche.
Industrie als Schlüsselakteur
Prof. Ph.D. Stefan Bertsch, Leiter des Instituts für Energiesysteme, beleuchtete die Rolle industrieller Prozesse in der Energiewende. Viele Unternehmen hätten nur ungenügende Daten über ihren Energieverbrauch. Verbesserte Abwärmenutzung, Prozessoptimierung und Wärmepumpen seien konkrete Massnahmen mit grossem Potenzial. «Die Energiewende ist nicht nur ein ökologisches, sondern auch ein ökonomisches Projekt», so Bertsch.
Die Zukunft aktiv gestalten
Die Tagung machte deutlich: Technische Lösungen sind vorhanden, die Forschung engagiert – nun braucht es Mut, politische Klarheit und gesellschaftlichen Willen. «Die Zukunft ist keine Lieferung, auf die wir nach der Bestellung einfach warten können, sie muss gemacht werden.» schloss Alex Simeon die Veranstaltung.