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Medienmitteilungen der OST

Festung Wildnis

Medienmitteilung vom 5. Mai 2025

Der niederländische Investigativjournalist Olivier van Beemem zeigt in seinem neuen Buch «Im Namen der Tiere», wie die NGO African Parks mit Waffen, Geld und westlicher Macht das Bild des afrikanischen Naturschutzes prägt und dabei die Menschen vor Ort an den Rand drängt. Van Beemen ist am Mittwoch, 14. Mai, Gast der Bibliothek der OST – Ostschweizer Fachhochschule in St.Gallen.

Über drei Jahre hat Olivier van Beemen über African Parks recherchiert.

Pendjari-Nationalpark, Benin. Die Mittagshitze liegt schwer über der Savanne. Flimmernde Hitze verschluckt den Horizont, während eine Patrouille von Rangern zwischen knorrigen Akazienbäumen auftaucht. Sie tragen Tarnkleidung, schwere Stiefel und Gewehre, bereit, jeden als Feind zu behandeln, der sich den strengen Regeln des Parks widersetzt. «Der Park ist der Stolz unserer Nation», sagt Jean-Pierre Wilhelm, der Parkdirektor, ein Mann mit militärischer Vergangenheit und markanter Entschlossenheit in der Stimme. «Wir alle stehen hier Seite an Seite.»

Doch wer ist dieses «wir»? Auf den ersten Blick scheinen es die Wildtiere zu sein – Löwen, Elefanten, Leoparden, Nashorn und Büffel –, jene «Big Five», die Safaritouristen aus Europa und den USA nach Afrika locken. Auf den zweiten Blick wird klar: Es sind die bewaffneten Männer in Uniformen, unterstützt von einer NGO, die das Prinzip des Naturschutzes neu – und radikal – definiert.

Naturschutz als Unternehmen

African Parks, kurz AP, verwaltet derzeit 22 Schutzgebiete auf dem afrikanischen Kontinent – eine Fläche so gross wie Grossbritannien. Finanziert von wohlhabenden Philanthropen, westlichen Regierungen und prominenten Unterstützern wie Prinz Harry, präsentiert sich die Organisation als Pionier nachhaltigen Naturschutzes. Fotosafaris, Jagdlizenzen, Heilpflanzen als künftige Pharmaprodukte – die Parks sollen sich selbst tragen, profitabel und zugleich als Vorzeigeprojekte für den Erhalt der Artenvielfalt dienen.

Doch dieser glänzende Plan hat eine dunkle Kehrseite. Die Parks sind Festungen geworden, abgeschottet nicht nur gegen Wilderer, sondern auch gegen die Menschen, die seit Generationen hier leben. Hirten, Bauern, Sammler – sie alle haben zunehmend keinen Platz mehr im Konzept der «reinen Wildnis».

«Früher haben wir hier unsere Ziegen geweidet, Medizinpflanzen gesammelt und in den Flüssen gefischt», erzählt ein Dorfbewohner aus Tanguieta. «Jetzt werden wir verjagt wie Verbrecher.» Die Ranger beschlagnahmen Tiere, zerstören Fischernetze und vertreiben die Menschen mit Waffengewalt. Für viele hat der Alltag in der Nachbarschaft des Nationalparks den Charakter eines militärischen Ausnahmezustands angenommen.

Krieg gegen die eigenen Nachbarn

Die Ranger von African Parks sind keine einfachen Wildhüter. Viele von ihnen wurden von ehemaligen Elite-Soldaten aus Israel, Südafrika oder Frankreich ausgebildet. Sie tragen Sturmgewehre, erhalten Prämien für gefangene oder getötete Wilderer, und das Wort «Krieg» fällt oft in ihren Gesprächen. Die Unterscheidung zwischen schwer bewaffneten Wilderern und einfachen Dorfbewohnern, die nur ihr Überleben sichern wollen, verschwimmt dabei gefährlich schnell.

«Die Vorstellung ist, dass jeder, der den Park betritt, ein potenzieller Feind ist», sagt der niederländische Journalist Olivier van Beemen, der jahrelang zu African Parks recherchiert hat. Er spricht von «grünem Kolonialismus», von einer Organisation, die mit westlichen Geldern und weisser Führung afrikanische Landschaften zu streng überwachten Reservaten umwandelt – während die Menschen vor Ort entrechtet werden.

Van Beemen selbst bekam den Druck zu spüren. In Benin wurde er unter Spionageverdacht festgenommen, tagelang verhaftet und beinahe vor ein Sondergericht gestellt. Vor dem Erscheinen seines Buches «Im Namen der Tiere» drohte ihm African Parks mit einer Klage in Millionenhöhe, falls die Spender ihre Unterstützung zurückziehen würden.

Die grosse Illusion von der «unberührten Wildnis»

Was nach aussen als Erfolgsgeschichte verkauft wird – der Schutz bedrohter Tierarten, die Schaffung von Jobs, die Entwicklung des nachhaltigen Tourismus – ist vor Ort eine bittere Erfahrung für viele Gemeinden. Ihre traditionellen Praktiken werden kriminalisiert oder unterbunden. Wer sich trotzdem in die Parks wagt, riskiert Festnahme, Gewalt oder Schlimmeres.

«In den Parks gibt es keine Menschenrechte», berichtete ein ehemaliger Ranger aus dem Kongo. Es sind Worte, die tief blicken lassen in das Selbstverständnis einer Organisation, die sich als letzte Verteidigungslinie der Wildnis sieht.

Die Vision des Gründers Paul van Vlissingen war eine Savannenlandschaft wie in Ostafrika – weit, offen, von Touristen leicht zu durchschauen. Für diese Vision wurden im südafrikanischen Marakele-Park einst sogar Bulldozer eingesetzt, um die Vegetation so zu gestalten, dass Elefanten, Nashörner und Löwen besser zu sehen sind. Afrika als Safari-Kulisse für zahlungskräftige Gäste – ohne störende Elemente.

Wer darf über die Natur bestimmen?

Das Problem ist nicht der Schutz der Natur an sich. Niemand bestreitet die Bedrohung durch Wilderei oder die Notwendigkeit, Arten zu bewahren. Doch African Parks vertritt eine Philosophie, die nur eine einzige Antwort kennt: totale Kontrolle. Dabei wird die lokale Bevölkerung nicht als Partner gesehen, sondern als Hindernis. «Wir sollten die Menschen vor Ort nicht nur sensibilisieren, sondern von ihnen lernen», mahnt van Beemen. «Sie haben über Jahrhunderte mit diesen Tieren gelebt.»

Doch solche Stimmen verhallen im Getöse der Erfolgsmeldungen, der perfekt inszenierten Naturbilder, der Hochglanzbroschüren für westliche Spender. Die Realität vor Ort bleibt unsichtbar.

Zwischen Hoffnung und Entfremdung

Die Zukunft des afrikanischen Naturschutzes könnte anders aussehen – partizipativer, gemeinschaftsorientiert, im Einklang mit den Menschen, die seit Jahrhunderten mit und von diesen Landschaften leben. Doch dafür müsste African Parks seinen Kurs grundlegend ändern. Solange die Organisation auf Abschottung, Militarisierung und Kontrolle setzt, bleibt der Naturschutz eine Einbahnstrasse: ein Geschäft, das den Menschen vor Ort kaum nützt, ihnen dafür aber ihre Lebensgrundlage nimmt. «Es geht nicht nur um die Tiere», sagt van Beemen. «Es geht auch um die Menschen.» Und solange dieser Teil der Geschichte nicht erzählt wird, bleibt African Parks das, was es längst geworden ist: eine Festung in der Wildnis.

Olivier van Beemen wird am Mittwoch, 14. Mai 2025, von 18 bis 19.30 Uhr aus seinem neuen Buch «Im Namen der Tiere. Wie eine NGO grosse Teile Afrikas beherrscht» (C.H.Beck-Verlag) lesen und über die Recherchen berichten. Die Veranstaltung findet in der Bibliothek der OST – Ostschweizer Fachhochschule am Campus St.Gallen statt. Die Veranstaltung ist kostenlos, es ist keine Anmeldung notwendig. Weitere Informationen: https://www.ost.ch/de/event/im-namen-der-tiere-lesung-von-olivier-van-beemen

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