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Weltraumrecht – Neuland für die Schweiz

25.03.2025

Der neue Regulierungsansatz und seine Auswirkungen für unsere New Space Economy

«Der Weltraum – unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr…» … 2025. Vor 2 Monaten hat die Schweiz den Entwurf ihres ersten Raumfahrtgesetzes in die Vernehmlassung geschickt. Damit sollen die bestmöglichen Rahmenbedingungen für eine wettbewerbsfähige, innovative und sichere Space-Branche in der Schweiz geschaffen werden - und das ist aktuell dringend notwendig. Warum?

Das rasante Wachstum privater Space-Aktivitäten

Die zunehmende Kommerzialisierung und Nutzung des Weltraums durch private Akteure hat in den letzten Jahren zu einem grundlegenden Wandel in der globalen Raumfahrtlandschaft geführt. Der als «New Space» bezeichnete Trend bringt neue Akteure, Geschäftsmodelle und technologische Innovationen, welche die traditionelle, staatlich-militärisch dominierte Raumfahrt weitgehend ersetzen und vor allem, zuweilen ganz schmerzhaft für die privaten Unternehmen, zu anderen Haftungs- und Versicherungsfragen führen. Es findet hier ein regelrechter Paradigmenwechsel statt. Diese Entwicklung eröffnet unseren Unternehmen zwar einerseits vielversprechende wirtschaftliche Chancen, konfrontiert sie andererseits aber mit komplexen Risikokonstellationen. Neuartige innovative Finanzierungs- und Versicherungsmodelle sowie umfassende Risikoanalysen sind gefragt - und vor allem werden für den Zugang zum Welt(raum)markt neuerdings nationale Bewilligungen und damit Garantien gefordert. Diese liefert nun die neue Gesetzgebung.

Warum Weltraumthemen für unseren Alltag und unsere Unternehmen so wichtig sind

In der aktuellen Weltraumdebatte der meisten Industrienationen bildet heute nicht mehr die Erforschung neuer Welten, das Wettrüsten der Weltmächte und die Weltraumnutzung im militärisch-strategischen Kontext den Schwerpunkt. Im Zentrum steht vielmehr die Bedeutung des Weltraums für den Alltag einer modernen Gesellschaft und damit der flächendeckend steigende Bedarf an Gütern und Dienstleistungen aus der Privatwirtschaft. Es gibt unzählige Beispiele, in denen Weltraumtechnologie aus unserem Berufsleben und unserer Freizeitgestaltung nicht mehr wegzudenken ist - angefangen beim satellitengesteuerten Breitband-Internet und der Mobiltelefonie über Positionsbestimmungen für Navigationssysteme in Autos, Smartphones und Fitnesstracker bis hin zu radarbasierten Schneehöhenmessungen und Wettervorhersagen. Weltraumtechnologie ist damit in nahezu allen Bereichen des modernen Lebens integriert. Entsprechend ist dieser neue, private Bedarf ein gewichtiger wirtschaftlicher Faktor geworden. Auch die Schweizer Raumfahrtindustrie hat in den letzten Jahren ein beachtliches Wachstum erlebt. Die Schweiz ist ein wichtiger privatwirtschaftlicher Akteur in der globalen Raumfahrtlandschaft geworden.

Wie Elon Musk die neue Gesetzgebung beschleunigte

Die Schweiz ist 1967 als einer der Erstunterzeichnerstaaten sowohl dem völkerrechtlichen Weltraumvertrag als auch in den Folgejahren diversen Weltraumübereinkommen (so dem Weltraumhaftungsübereinkommen, dem Weltraumrettungsübereinkommen und dem Weltraumregistrierungs-übereinkommen) beigetreten, hat bislang aber auf ein eigenes Weltraum- oder Raumfahrtrecht verzichtet. In diesen völkerrechtlichen Verträgen sind Themen wie Gleichheit der Nationen, Kolonialisierungsverbot, friedliche Nutzung des Weltraums, Rettung von notgelandeten Raumfahrern, Haftungsfragen und Umweltschutz geregelt. Im Fokus stehen hier aber immer Staaten als Akteure. Der jeweilige Startstaat trägt für alle nationalen Weltraumaktivitäten die umfassende Verantwortung, unbesehen, ob diese von staatlichen oder privaten Akteuren durchgeführt werden. Stellen Private Weltraumgegenstände zur militärischen Nutzung für andere Staaten zur Verfügung, wird das dem Startstaat angerechnet; verursachen Weltraumgegenstände von Privaten Schäden an Weltraumgegenständen fremder Staaten, haftet der Startstaat; entsteht durch Private Weltraummüll, ist der Startstaat für dessen Beseitigung verantwortlich. Der Startstaat kann aber mit einem nationalen Gesetz die Haftung auf die Staaten abwälzen, die selbst oder deren Unternehmen an der Mission beteiligt waren.

In den letzten Jahren kam es zu diversen solcher von Privaten verursachten Schäden in Millionenhöhe, für die letztlich der jeweilige Startstaat oder eben der Domizilstaat des privaten Unternehmens aufkommen musste. Exemplarisch stehen hierfür vor allem die Space-Aktivitäten von Elon Musk. Nebst konkreten Schadensfällen konnten seine Satelliten auch im Ukrainekrieg von der ukrainischen Armee zur Kommunikation genutzt werden. Diese private, aber klar militär-strategische Weltraumaktivität wird völkerrechtlich nach dem Weltraumvertrag den USA als Startstaat zugerechnet, was zu einer offiziellen staatlichen Kriegsbeteiligung führt, ohne dass je ein politisches Gremium darüber entschieden hätte. Für die Schweiz wäre ein solcher Fall, nebst dem hohen finanziellen Risiko, schon im Hinblick auf unsere Neutralitäts- und Nonproliferationspolitik sehr heikel. Viele Weltraumtechnologien dienen tatsächlich sowohl zivilen als auch militärischen Zwecken. Die Schweiz muss daher im Einzelfall gewährleisten, dass die nationale Rechtsordnung mit den Anforderungen der Raumfahrtindustrie in Einklang gebracht werden kann, was eine sorgfältige Abwägung zwischen Förderung und Kontrolle erfordert.  

Autorin

Dr. iur. Esther Omlin ist Kursleiterin des CAS Geopolitik, Infrastrukturen und Sicherheit.

Der privatwirtschaftlich orientierte Ansatz als schweizerische Lösung

Um solchen Risiken Vorschub zu leisten, lenkt der Entwurf des neuen Raumfahrtgesetzes den Fokus nun weg von den Staatengebilden des internationalen Rechts hin zu den privatwirtschaftlichen Unternehmen und beschreitet so einen anderen Weg als die meisten Staaten. Damit einher geht auch ein Wechsel in der Haftungsfrage, nämlich von der öffentlich-rechtlichen Staatshaftung hin zur privatrechtlichen Haftung. Das Gesetz sieht eine primäre Haftung des Unternehmens für alle unter seiner Kontrolle laufenden Weltraumaktivitäten vor. Der Staat Schweiz kann so nur in Ausnahmefällen zur Rechenschaft gezogen werden, d.h. erst, wenn das Privatunternehmen die Haftungsansprüche geschädigter fremder Staaten oder (fremder und einheimischer) Privater nicht decken kann. Damit stehen aber plötzlich auch private Versicherungs- und Finanzierungsthemen, Risikoanalysen sowie Eigentumsfragen im Mittelpunkt. Hier muss der Bundesrat noch die richtigen Wege finden, um das immense finanzielle Risiko unserer Unternehmen abzufedern.

Das Gesetz statuiert zudem die erwähnte, international für den Marktzugang geforderte Bewilligungspflicht für jedes Unternehmen, das einen Weltraumgegenstand unter eigener operativer Leitung und Verantwortung steuert und kontrolliert und sein Domizil in der Schweiz hat. Für die Bewilligung müssen die Unternehmen eine Vielzahl von Kriterien erfüllen, darunter weitreichende finanzielle Garantien vorweisen und auch über ein grundlegendes Risikomanagement verfügen. Dieses Bewilligungsverfahren ist nicht nur für den Staat wichtig, da es die Kontrolle und Steuerungsmöglichkeit hinsichtlich der privaten Raumfahrt garantiert. Es profitieren auch die Space-Unternehmen, trotz aller Zusatzinvestitionen, da es die uneingeschränkte Teilnahme am Welt(wirtschafts)raum und am Weltraummarkt wieder ermöglicht.

Im Entwurf leider noch nicht berücksichtigt sind die drängenden Sicherheitsfragen. Cyberangriffe und Cyberspionage gegen weltraumgestützte Ressourcen und kritische Infrastrukturen im All haben in letzter Zeit rasant zugenommen und zählen zu den grössten Gefahren der inneren und äusseren Sicherheit der Vertragsstaaten. Hier muss mittels neuer nationaler Vertragswerke genügend Schutz für Labore, die Raumfahrtindustrie, Weltrauminfrastruktursegmente (Boden-, Weltraum- und Verbindungssegmente), Kommunikationstechnologie etc. geboten werden. Im neuen Raumfahrtgesetz könnte die Schweiz so ein maximales Schutzregime aufbauen und damit weltweit eine Vorreiterrolle übernehmen.

Literatur:

  • Entwurf zum schweizerischen Raumfahrtrecht: www.swiss-space-law.admin.ch
  • Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper (SR 0.790)
  • Weltraumrettungsübereinkommen (SR 0.790.1)
  • Weltraumhaftungsübereinkommen (SR 0.790.2)
  • Weltraumregistrierungsübereinkommen (SR 0.790.3)
  • Weiterführende Literatur: Esther Omlin: Schweizerisches Weltraumrecht: Herausforderungen und Handlungsbedarf im Zeitalter der New Space Economy, SJZ 4/2025, Zürich.