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Künstliche Intelligenz in Schweizer Finanzinstituten: Ein skalierbares Framework zur erfolgreichen KI Implementierung

25.03.2025

Klar ist: Die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) beeinflusst auch den Schweizer Finanzsektor in grundlegender Weise. Dabei eröffnen sich Chancen für effizientere Prozesse, bessere Risikoeinschätzung und eine vertiefte Kundennähe. Zugleich steigen die Anforderungen an Governance, Datenschutz und regulatorische Compliance. Das neu entwickelte White Paper des Instituts für Finance und Law in Kooperation mit Swiss FinTech Innovations (SFTI) zeigt Wege auf, wie Finanzinstitute in der Schweiz ein skalierbares KI-Framework verankern können, das auf die regulatorischen und organisatorischen Besonderheiten ihrer Branche zugeschnitten ist.

Warum KI für Schweizer Finanzinstitute relevant ist

Die zunehmende Digitalisierung im Finanzbereich ist kein Zufall: Grosse Datenmengen, komplexe regulatorische Auflagen sowie sich rasch wandelnde Marktanforderungen erfordern automatisierte und lernfähige Systeme. KI ermöglicht hier eine weitergehende Automatisierung und Optimierung verschiedener Bereiche. Dazu gehören unter anderem:

  • Fraud Detection: Maschinenlernende Modelle identifizieren Auffälligkeiten in Echtzeit, um betrügerische Transaktionen frühzeitig zu erkennen.
  • Compliance: KI-gestützte Analysen können Verdachtsmomente in AML- und KYC-Prozessen zuverlässiger filtern und so Fehlalarme reduzieren.
  • Personalisiertes Kundenmanagement: Chatbots oder Sprachassistenten verbessern den Kundenservice – ohne Wartezeiten und rund um die Uhr.

Viele Studien zeigen, dass insbesondere in Compliance-Fragen ein erheblicher Mehrwert entsteht, da KI die Einhaltung von Anti-Geldwäscherei-Vorschriften und regulatorischen Berichtsanforderungen unterstützt.

Das skalierbare Framework: Sechs zentrale Elemente

Um diesen vielfältigen Einsatzszenarien gerecht zu werden, schlägt das White Paper ein Framework aus sechs Elementen vor. Dieses entstand basierend auf einer Umfrage unter Mitgliedsunternehmen von SFTI, bei der 21 KI-Anwendungsfälle analysiert wurden. Das Framework soll Finanzinstitute dabei unterstützen, KI-Projekte strukturiert und konform zu realisieren.

1. Strategische Entscheidungsfindung

Am Anfang steht die Frage: Welche Problemstellungen versprechen den grössten Nutzen? Ein formalisierter Prozess zur Ideenauswahl und ein kurzer Proof-of-Concept (PoC) helfen, Machbarkeit und Mehrwert eines KI-Vorhabens rasch zu evaluieren. Wichtig ist dabei die enge Verzahnung mit den übergeordneten Geschäftsstrategien, damit sichergestellt ist, dass ein KI-Projekt nicht nur technologisch, sondern auch unternehmerisch Sinn ergibt.

2. Governance und Compliance

Die Schweizer Finanzbranche agiert in einem anspruchsvollen regulatorischen Umfeld. KI-Lösungen müssen so gestaltet sein, dass Datenschutz (etwa gemäss Bundesgesetz über den Datenschutz, DSG), Ethik und Transparenz gewährleistet sind. Ein klarer Governance-Rahmen, der unter anderem das Erstellen zentraler Inventare aller KI-Anwendungen sowie feste Rollen und Kompetenzen vorsieht, ist dabei unverzichtbar.

3. Datenmanagement

Die Güte von KI-Entscheidungen hängt zu grossem Teil von der Datenqualität ab. Auch Sicherheitsaspekte und Themen rund um Datenschutz (z.B. synthetische Datenerzeugung) spielen eine Schlüsselrolle. Nur mit konsistenten Richtlinien und klaren Verantwortlichkeiten gelingt es, Daten verlässlich aufzubereiten, bereitzustellen und geschützt zu halten.

4. Umsetzungsansatz

Eine schrittweise Einführung, von der Entdeckungs- und Definitionsphase über die Entwicklung bis zum Rollout, hat sich bewährt. Viele Institute setzen auf agile Methoden wie das Scaled Agile Framework (SAFe), um flexibel auf neue Anforderungen reagieren zu können. Zudem rät das White Paper zu kurzen Iterationen und konsequenter Pilotierung, bevor ein breiter Rollout erfolgt.

5. Organisationale Bereitschaft

Häufig wird das Potenzial von KI unterschätzt, wenn Mitarbeitende aufgrund fehlender Fachkenntnisse oder Ängste Vorbehalte gegen die neue Technologie entwickeln. Ein strukturierter Change-Management-Ansatz mit frühzeitiger Stakeholder-Einbindung, zielgruppenspezifischen Schulungen und offenem Dialog begünstigt das Vertrauen in KI-Systeme. Nur mit solider Ausbildung und klarer Kommunikation lässt sich eine innovationsfördernde Kultur etablieren.

6. Monitoring und Risikomanagement

Auch nach erfolgreicher Einführung ist die Arbeit nicht getan: KI-Modelle müssen laufend überwacht, Biases rechtzeitig erkannt und sogenannte «Halluzinationen» (plausibel wirkende, aber falsche Ergebnisse) minimiert werden. Dazu braucht es ein durchdachtes Set an Kennzahlen, Feedback-Mechanismen sowie Kontrollen, um Anomalien schnell aufzudecken. Ist dies gewährleistet, lassen sich ungeplante Abweichungen rasch korrigieren.

Autor

«Für die meisten Schweizer Finanzinstitute ist die schrittweise Einführung von KI in einem klaren Framework entscheidend. So können sowohl regulatorische Vorgaben erfüllt als auch die vielfältigen Potenziale ausgeschöpft werden.» 

Dr. rer. pol. Stefan Neumann, Dozent am Kompetenzzentrum Banking und Finance

Entscheidungs- und Implementierungsmodelle

Interessant ist, dass lediglich 37.5% der befragten Finanzinstitute KI-spezifische Entscheidungsprozesse etabliert haben; die Mehrheit ordnet KI-Projekte wie gewöhnliche IT-Initiativen ein. Auch bei der Implementierung setzen erst 12.5% auf eigene KI-Frameworks, während der Grossteil bestehende Vorgehensmodelle übernimmt. Laut White Paper kann dies Risiken bergen, weil KI-Projekte in Bezug auf Datenschutz, Modellvalidierung und Erklärbarkeit eigene Herausforderungen mit sich bringen. Umso wichtiger ist daher die konsequente Einbettung von Compliance-Aspekten und Transparenzmassnahmen.

Nutzen und Herausforderungen

Dass Betreiber von KI-Systemen und die Endnutzenden profitieren, zeigt sich besonders in den Bereichen Fraud Detection, Marketingautomatisierung und Online-Kundenidentifikation. Die Studienergebnisse nennen hier beispielsweise operative Effizienzsteigerungen, Kostensenkungen und bessere Compliance. Allerdings bestehen noch immer markante Wissenslücken (50% der Unternehmen beklagen fehlende Expertise), Datenschutzbedenken, kulturelle Widerstände und Komplexitäten bei der Systemintegration.

Fazit: Wo geht die Reise hin?

In der Finanzbranche ist man sich einig, dass die breite Einführung von KI auch in Schweizer Finanzinstituten voranschreitet. Wenn Organisationen auf strategische Abstimmung, robuste Governance und eine schrittweise, gut überwachte Implementierung setzen, erschliessen sie sich langfristig einen Wettbewerbsvorteil. Besonders die Kombination aus solider Datenbasis, klaren Zuständigkeiten und kontinuierlichem Monitoring erweist sich als zentrale Voraussetzung für nachhaltigen KI-Erfolg.

Nicht zuletzt tragen gezielte Schulungen und Change-Management dazu bei, dass Mitarbeitende vom Nutzen der neuen Technologie überzeugt werden. Denn nur wenn Vertrauen und Kompetenzen vorhanden sind, kann KI ihre volle Wirkung entfalten. Vor diesem Hintergrund empfiehlt das White Paper denn auch eine umfassende strategische Verankerung, das Einrichten eines abteilungsübergreifenden Steuerungsgremiums und die Nutzung von Proof-of-Concepts zur Minimierung von Projektrisiken.

Wo erfahre ich mehr zu KI in Compliance?

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Dauer: 1 Tag, 9.00 - 17.00 Uhr

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Kosten: CHF 950.–

Ort: Zürich

Das Seminar «Compliance Masterclass – Compliance von morgen schon heute im Fokus» bietet einen praxisorientierten und innovativen Ansatz für Compliance und geht neben den regulatorischen Anforderungen auch auf technologische Entwicklungen und Strategien zur Effektivitätssteigerung ein.

Literatur (Auswahl):