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Medienmitteilungen der OST

Erwerbstätigkeit bei geflüchteten Ukrainerinnen

Medienmitteilung vom 28. April 2025

Bei einem Grossteil der Geflüchteten aus der Ukraine handelt es sich um Frauen. Trotz guter Ausbildungen und schnellem Zugang zum Arbeitsmarkt ist ihre Erwerbsquote in der Schweiz tief. Im Kanton St.Gallen liegt dieser Wert über dem Schweizer Durchschnitt. Claudia Nef, Geschäftsführerin des Trägervereins Integrationsprojekte St.Gallen (TISG) und Dozentin im CAS Supported Employment der OST – Ostschweizer Fachhochschule, zeigt die Gründe dafür auf.

In niedrigqualifizierten Jobs sind die Anforderungen an das Sprachniveau deutlich tiefer. Dies erklärt den hohen Anteil der Ukrainerinnen im Gastgewerbe und im Detailhandel.

Die Voraussetzungen für den raschen Einstieg von geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern in den Schweizer Arbeitsmarkt schienen vielversprechend. Rund 70 Prozent verfügen über einen Tertiärabschluss, und der Schutzstatus S ermöglicht ihnen einen schnellen Zugang zum Arbeitsmarkt. Die Ukraine-Geflüchteten setzten sich zu einem Grossteil aus Frauen zusammen – viele bringen Berufserfahrung im Gesundheits- und Erziehungswesen mit. Branchen, in denen hierzulande Fachkräftemangel herrscht. Umso erstaunlicher ist die tiefe Erwerbsquote der geflüchteten Ukrainerinnen: Nur 28 Prozent der Frauen sind im Schweizer Arbeitsmarkt integriert.

Überdurchschnittliche Erwerbsquote im Kanton St.Gallen

Eine neue Studie des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO untersucht die Gründe für die tiefe Erwerbstätigkeit der ukrainischen Frauen mit Schutzstatus S in der Schweiz. Die Studie fokussiert sich neben drei anderen Kantonen auf den Kanton St.Gallen, wo die Erwerbsquote der Ukrainerinnen und Ukrainer mit 37 Prozent über dem nationalen Durchschnitt von 30 Prozent liegt. Trotzdem gibt es laut Claudia Nef noch Luft nach oben. Sie ist die Geschäftsführerin des Trägervereins Integrationsprojekte St.Gallen, kurz TISG. Der TISG erfüllt im Auftrag aller 75 St.Galler Gemeinden Aufgaben in der Unterbringung, Betreuung und sozialen sowie beruflichen Integration von Geflüchteten.

Sprache als Schlüssel für die Arbeitsintegration

«Ein nahtloser Übergang von einem Beruf in der Ukraine in den gleichen oder einen ähnlichen Beruf in der Schweiz ist oft nicht möglich», erklärt Claudia Nef. Denn die Anforderungen seien in vielen Bereichen sehr hoch. Wichtig sei vor allem die Sprache. «Die Sprache ist der Schlüssel für die Integration in den Arbeitsmarkt – gerade in der Ostschweiz», betont sie. Zu diesem Schluss kommt auch die Studie des SECO. Dazu kommt: Je höher die Qualifikation für einen Job sein muss, desto höher müssen auch die Sprachkenntnisse sein. «Sobald die geflüchteten Ukrainerinnen in den St.Galler Gemeinden ankommen, ist die Sprachförderung deshalb eine der ersten Integrationsmassnahmen», zeigt Claudia Nef auf. Dank über 20 Sprachschulen im Kanton St.Gallen konnten nach Ausbruch des Krieges rasch zusätzliche Angebote geschaffen und auf die erhöhte Nachfrage reagiert werden.

Weiter betont Claudia Nef, dass viele Frauen zwar einen Hochschulabschluss haben, dieser sie aber noch nicht zu gesuchten Fachkräften macht. Das Hauptproblem ist daher oft nicht die fehlende Anerkennung von Diplomen, sondern die mangelnde Berufserfahrung im Schweizer Arbeitsmarkt.

Viele Frauen arbeiten unter ihren Qualifikationen

In niedrigqualifizierten Jobs sind die Anforderungen an das Sprachniveau deutlich tiefer. Dies erklärt den hohen Anteil der Ukrainerinnen im Gastgewerbe und im Detailhandel. Die SECO-Studie zeigt, dass die Arbeitsmotivation der Ukrainerinnen sehr gross ist – auch wenn sie für ihre Arbeitsstellen zum Teil überqualifiziert sind. Das stellt auch Claudia Nef fest und erklärt: «Die Sozialhilfe ist tief und die Frauen möchten ihre finanzielle Lage für sich und ihre Familie dadurch wenigstens zu einem gewissen Grad verbessern.»

Ein wesentliches Hindernis für die Aufnahme einer Berufstätigkeit ist laut der Studie die Kinderbetreuung. Ukrainerinnen, die für die Untersuchung befragt wurden, berichten, dass es schwierig oder zu teuer sei, eine externe Kinderbetreuung zu organisieren. Im Vergleich zu anderen Kantonen profitieren die St.Galler Gemeinden davon, dass die Kitabetreuung über die Integrationsgelder des Bundes finanziert werden kann und so nicht unmittelbar die Gemeindebudgets belasten.

St.Galler Gemeinden sind nah dran

Dass die Erwerbsquote von Geflüchteten mit Schutzstatus S in St.Gallen über dem Schweizer Durchschnitt liegt, hat laut Claudia Nef noch weitere Gründe. Ein grosser Vorteil sei die Verteilung der Geflüchteten auf die einzelnen Gemeinden. «Die Gemeindeautonomie im Kanton St.Gallen ist sehr hoch, deshalb fallen viele Aufgaben im Flüchtlingsbereich wie die Arbeitsmarktintegration in die Zuständigkeit der Gemeinden», sagt Claudia Nef. Dadurch seien die Gemeinden «sehr nah dran» und bekämen die finanziellen und sozialen Auswirkungen direkt zu spüren, wenn die Arbeitsintegration nicht funktioniere. Die TISG unterstützt sie dabei mit rund 30 Jobcoaches.

Ein wesentlicher Faktor ist auch, dass im Kanton St.Gallen zahlreiche Unternehmen bemüht sind, geflüchtete Ukrainerinnen aufzunehmen. «Sie wollen einen gesellschaftlichen Beitrag leisten, damit die Geflüchteten in der Schweiz Fuss fassen können», sagt Claudia Nef. Zudem sehen die Unternehmen, dass die Geflüchteten gute Arbeit leisten und motiviert sind. Trotzdem hört Claudia Nef auch eine zunehmende Skepsis der Unternehmen, ob sie Geflüchtete mit Schutzstatus S überhaupt anstellen oder weiterqualifizieren sollen.

Unsicherheiten durch Schutzstatus S

Die skeptische Haltung gegenüber den Ukrainerinnen hängt mit ihrem unsicheren Aufenthaltsstatus zusammen. Derzeit läuft der Schutzstatus S noch bis im März 2026 – ob er danach verlängert wird, weiss niemand. «Für die Unternehmen ist es eine Kosten-Nutzen-Rechnung, ob sie das Risiko eingehen wollen, die Geflüchteten einzuarbeiten, wenn sie vielleicht bald wieder in die Ukraine zurückkehren.» Auch die Geflüchteten sind laut der SECO-Studie auf ihre Rückkehr fokussiert. Das hindert sie zum Teil daran, sich auf ihre berufliche Entwicklung in der Schweiz zu konzentrieren, sei es zum Beispiel mit einer aufwendigen Nachqualifizierung oder mit langen Praktika.

«Wenn der Bund klar definieren würde, was mit dem Schutzstatus S und mit den Geflüchteten passiert, die mittlerweile in der Schweiz arbeiten, könnte man die Integration auch besser fördern», erklärt die Geschäftsführerin der TISG. Mit Blick auf die aktuelle Weltpolitik sei es aber auch verständlich, dass der Bund noch nicht entschieden hat, ob der Schutzstatus S per März 2026 aufgehoben wird. «Wichtig wäre ein Konzept für den Fall einer Aufhebung. Da bestehen aktuell viele Unsicherheiten», zeigt Claudia Nef auf. Trotzdem geht sie davon aus, dass die Erwerbsquote weiter steigen wird. Das hat auch damit zu tun, dass der Bund im Herbst die bisherige Bewilligungspflicht für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in eine einfache Meldepflicht umwandeln wird. Damit sollen das Verfahren vereinfacht und die Erwerbsquote erhöht werden.

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Die Anforderungen für die Arbeitsintegration von Menschen mit Migrationshintergrund und im Asylwesen sind vielfältig. Um in komplexen Situationen den Überblick zu behalten, benötigen Fachpersonen spezifische Rechtskenntnisse und eine sichere Verständigung. Dieses Seminar führt sie in die asylrelevanten Rahmenbedingungen ein und vermittelt die Aspekte einer interkulturellen Kommunikation.  

CAS Supported Employment

Arbeit bedeutet in unserer Gesellschaft viel. Jedoch finden Menschen mit einer Beeinträchtigung nur erschwert Zugang dazu. Der CAS Supported Employment – Arbeitsintegration vermittelt Fachleuten die notwendigen Kompetenzen, um benachteiligte Personen beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt professionell zu begleiten.

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